Märchenhaft leben

Was bedeutet märchenhaftes Leben? Das Leben selbst scheint nun zur Zeit alle andere als märchenhaft zu sein. Eine bald dreijährige Pandemiezeit. Der seit Februar tobende russische Krieg in der Ukraine, der ungeheuer viel menschliches Leid erzeugt und vielfältige Ursachen hat. Die Klimakrise, die vehement in unserem Leben Einzug hält und durch die Kriegsauswirkungen nun wesentlich verstärkt wird. Die Flüchtlingsströme aus dem Süden, wo die Klimakrise schon eine Klimakatastrophe geworden ist.

All das und so viel ungenanntes Leid, auch die vielen offenbar werdenen sexuelle Mißbrauchsfälle in den Kirchen und anderswo, deuten darauf hin, dass das Märchenhafte des Lebens unsichtbar geworden ist. Umso wichtiger scheint es mir, aufmerksam zu machen auf die intuitiven Kräfte im Menschen, die zu anderen eher „herz“lichen Lösungen führen.

Augen des inneren Herzens

In den Märchen und Legenden, besonders auch den biblischen, wird diese Seite des Menschen uns bildhaft vor Augen geführt. Aus Unglück und Verstrickung gibt es nur Auswege durch Öffnung für die innere, dem Leben trauende Seite im Menschen, auch wenn das oft erstmal unlogisch erscheint. Die alten Geschichten behandeln alle menschlichen Dramen und Traumen. Sie zeigen Wege heraus aus der Not, jenseits der gewohnten Strategien. Sie laden ein auf das eigene Herz zu hören, laden besonders die Männer ein, ihre weibliche Seite wertzuschätzen, jenseits von schwarz-weiss Denken.

Jesus zum Beispiel war ein genialer und phantasievoller Geschichtenerzähler (wie übrigens fast alle Menschen im Orient). Die Leute verstanden ihn mit seiner bildreichen Sprache und konnten sich seinem Gottvertrauen anvertrauen.

Die Märchen bewegen sich auf der gleichen Ebene, gereicht als (Über-)Lebenshilfe für traumatisierte Menschen in alltäglichen und nicht-alltäglichen Konflikten und Störungen. Sie machen Hoffnung, den Lebensweg weiter zu beschreiten und die allen Religionen wichtige sogenannte goldene Regel zu be-herz-igen: „Was du nicht willst dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu.“

Märchenhaftes Leben

Was ist nun mit der Frage nach märchenhaftem Leben in sochen Zeiten gemeint? Ich denke es wurde durch meine Ausführungen deutlich: Mehr der Herzenseite in uns zu trauen. Im Kleinen wie im Großen Wege jenseits von Freund und Feind zu riskieren. Meditation, Gebet und andere Arten von Innehalten helfen uns tiefer zu fragen, zuzulassen , dass ich nicht die Kontrolle über das Leben habe und sterben werde. Aber jeden Tag neu Leben empfange. Lasst uns uns gegenseitig darin bestärken.

Märchenerzählen trägt meiner Erfahrung nach dazu bei, mit den inneren Herzens-Augen die Fragen des gegenwärtigen Lebens anzusehen. Der oder die Jüngste in vielen Geschichten erkennt schnell, dass mit den bekannten Möglichkeiten keine Lösung des Problems zu finden ist. Lernt zu vertrauen in die Möglichkeiten des inneren Lebens, bildhaft ausgedrückt etwa durch verschiedene helfende Tiere .

 

Auch Pandemie bedingt bin ich wenig zum öffentlichen Erzählen gekommen. Ich hatte im Frühjahr durch die Nachrichten vom russischen Krieg in der Ukraine, auch durch die Erzählungen der Flüchtlinge bei uns im Haus, eine Art Schockstarre. Ein Gedicht ist am Beginn des Überfalls entstanden, das ich hier einfügen möchte:

Gedicht

S`ist Krieg, s´ ist Krieg

Für Großreichsphantasien alter Couleur
werden Menschen geopfert,
hier wie da – egal
ob Russland, Serbien, USA,
Deutschland ehedem.

Wer Macht missbraucht
wird in ihr untergehen –
wie viele müssen mit ins Grab?

Wo ist die Vision von 1990 und 2001
geblieben?
Ganz Europa geeint, abgerüstet und vernetzt.
Ein Großreich war dagegen: USA
und die Großindustrie als Waffenschmiede …

Trotz Rückfall ins Raubrittertum
an so vielen Orten
die Transformation der Menschheit
geht voran, nicht zurück!
Dafür einstehen und leben –
All days for future!

© 2022 Clemens Kremer

In diesem Sinn möchte ich Sie und Euch ermuntern mit mir und untereinander in den Austausch zu kommen über die Bedeutung märchenhaften Lebens in dunklen Zeiten. Sendet gerne Nachrichten und Kommentare über das Kontaktformular oder per Mail.

Euer Geschichten- und Märchenerzähler

Clemens Kremer